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HETKAMP – 150 JAHRE MUT, NEUES ZU WAGEN

Interview mit Helmut Ackmann, Geschäftsführer Hetkamp Einrichten und Mode, Raesfeld

Willkommen in der Schlossgemeinde Raesfeld. Inmitten der eindrucksvollen Parklandschaft des Naturparks Hohe Mark im Westmünsterland. Und dennoch nur ca. 35 bis 40 Autominuten entfernt zum Beispiel vom Herzen des Ruhrgebietes. Hier finden Menschen Ruhe und Entspannung. Und anspruchsvolle Kunden, die in punkto Einrichtung und Mode das ganz Außergewöhnliche lieben und schätzen, finden hier Hetkamp. Ein 150-jähriges Jubiläum ist schon noch etwas Besonderes – so lange gibt es Hetkamp schon. Und heute ist Hetkamp ein Team von über 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – Architekten, Interior-Designer, versierte Handwerker sowie Fashion- und Style-Spezialistinnen – die dieses Unternehmen tagtäglich prägen. Im Gespräch mit Ingo Kabutz lässt uns Helmut Ackmann verstehen, warum Menschen, die wahrlich schon viel gesehen haben, immer wieder gern (fast) jede Anreise in kauf nehmen. Um hier Orientierung und Beratung zu finden – sich immer wieder innerhalb von Einrichtungskonzepten und High Fashion selbst zu erkennen, zu verwirklichen, sich glücklich machen zu lassen.

HELMUT ACKMANN, AUS WELCHER LEBENSSITUATION HERAUS HABEN SIE SICH 2002 ETWAS NEUES GETRAUT UND DIE GESCHÄFTSFÜHRUNG BEI HETKAMP ÜBERNOMMEN?
Ich war 15 Jahre Geschäftsführer eines Einrichtungshauses in Lingen an der Ems und für mich war eigentlich schon länger die Zeit gekommen, mal wieder etwas Neues anzufassen und zu wagen. Ich war 50 Jahre alt, hatte Elan, hatte Mut und ganz einfach auch die Kraft, um entsprechend etwas Neues zu beginnen. Dann kam der Anruf von Frau Luzie Hetkamp, die in Raesfeld ein Einrichtungshaus führte und mich direkt fragte: „Haben Sie Lust, für mich zu arbeiten?“ Hetkamp war seinerzeit ein Einrichter, der sehr stark auf Antiquitäten aber auch auf Produktionen der eigenen Werkstatt hin ausgerichtet war. Man führte zusätzlich Firmen wie Interlübke, COR und andere. Das Einrichtungshaus war bereits auf einem sehr, sehr guten Niveau angesiedelt und hat auch Architekten beschäftigt, die das Ganze planten. Der Name Hetkamp war mir damals schon vor dem Anruf durchaus bekannt.

WIE HABEN SIE UND FRAU HETKAMP SICH DANN KENNENGELERNT?
Also sie rief mich an und dann haben wir ganz spontan einen Termin vereinbart. Nach dem zweiten Satz sagte ich mir: „Mensch, wir verstehen uns!“ Sie war in einer Situation, in der sie sagte, sie wolle loslassen und die Geschäftsführung abgeben. Schließlich haben wir uns geeinigt und Mitte 2002 habe ich bei Hetkamp angefangen. Das Haus war in den Jahren gewachsen, aber es musste wirtschaftlich geändert und auch modernisiert werden. Und um neue Kunden anzusprechen war es ganz wichtig, Modernität in das Geschäft zu bringen.

WAS BEDEUTETE IM JAHRE 2002 „MEHR MODERNITÄT“? BEZOG SICH DAS AUF DIE PRÄSENTATION, AUF DIE MARKEN ODER AUF DIE EINRICHTUNGSPHILOSOPHIE?
Eigentlich bezog sich das auf alle Bereiche. Wie gesagt, waren wir ja ein sehr antik-lastiges Haus. Wir haben uns dann sehr stark mit internationalen Kollektionen auseinandergesetzt, auch im Polstermöbelbereich. Wie zum Beispiel mit de Sede aus der Schweiz und Wittmann aus Österreich. Wir zeigen Produkte, die zwar teuer aber auch hochwertig sind, sodass ich den Preis jederzeit vertreten kann, das ist für mich sehr wichtig. Wir haben es dann geschafft, im Einrichtungsbereich neue, teilweise auch etwas jüngere Kunden zu gewinnen und dadurch einen ganz anderen Aufbau der eigenen Linie und Produktion zu verstärken. Darauf lag in den ersten Jahren meiner Tätigkeit mein Hauptaugenmerk und die Umsetzung ist uns gelungen.

HABEN DIE MENSCHEN, DIE DURCH IHR EINRICHTUNGSHAUS GEHEN BEREITS EINE KONKRETE VORSTELLUNG VON DEM, WAS SIE HABEN MÖCHTEN? ODER VERLASSEN SIE SICH DARAUF, IHRE INSPIRATION BEI HETKAMP ZU FINDEN?
Wenn jemand die Fahrt nach Raesfeld auf sich nimmt, möchte er sich nicht einfach nur unseren Laden anschauen, sondern der hat auch einen Wunsch. Für uns ist es wichtig, unsere Kunden im Laufe ihres Aufenthalts so weit zu inspirieren, dass wir zumindest herausgefunden haben, was sie möchten.

WELCHE EMPFEHLUNG KÖNNEN SIE EINEM KUNDEN ZUR ORIENTIERUNG GEBEN, WENN ER SICH MIT SEINER EINRICHTUNG NEU ERFINDEN MÖCHTE?
Für mich ist es wichtig, dass ich den richtigen Partner an seine Seite stelle. Das heißt, dass ich vom Typ her jemanden finden muss, der zu ihm passt. Wir haben ja mehrere Architekten, die für verschiedene Linien Ansprechpartner sind ... die auch unterschiedliche Blicke haben. Der Kunde braucht jemanden an seiner Seite, der ihm die möglichen Richtungen zeigt. Und es ist eine Schulungsfrage, mit den Kunden ganz offen und ehrlich über diese Arbeitsweise zu sprechen.

DIE KÖNIGSDISZIPLIN BESTEHT JA DARIN, AUCH IN DIE HÄUSLICHE UMGEBUNG DES KUNDEN “VORZUDRINGEN“ UND SEIN VERTRAUEN ZU GEWINNEN, RICHTIG?
Ja, das ist wichtig. Wenn Sie eine Beratung erster Klasse abgeben möchten, dann können Sie das nur beim Kunden, vor Ort, zuhause machen. Dort tritt er auch ganz anders auf, schließlich befindet er sich in seiner vertrauten Umgebung. Und wir lernen ihn dort auch besser kennen, sehen, wie er lebt. Dann können wir ihn besser beraten und ihn in seiner Sache stärken.

HABEN DIE MENSCHEN MUT ODER SIND SIE EHER VORSICHTIG?
2006 haben wir hier eine Musterwohnung erstellt und sehr viel Geld dort hinein investiert, obwohl keiner genau wusste, ob es funktionieren oder sich lohnen würde. Aber wir haben festgestellt, dass gerade Leute im Alter zwischen 50 und 60 Jahren den Mut zur Neuerung haben. Da zeigt sich oft eine Sehnsucht nach einer helleren Einrichtung, denn das Dunkle hat viele Leute ihr ganzes Leben begleitet, oftmals vom Elternhaus an. Ich habe Kunden, die 70 Jahre alt sind, die sich komplett neu einrichten und das ist keine Seltenheit. Gerade diese Kunden lassen sich von uns leiten und auch überzeugen. Wir müssen es schaffen, ein Konzept für sie zu entwickeln, mit dem sie sich zuhause fühlen.

EIN KURZER SCHULTERBLICK IN DEN HETKAMP-MODEBEREICH. SIND HIER EMPATHIE UND DAS ERFASSEN DER PERSÖNLICHKEIT VIELLEICHT NOCH EINEN TICK WICHTIGER? ZUM BEISPIEL, WEIL MODE KURZLEBIGER IST UND DIE FRAU SICH MEHRMALS IM JAHR NEU ERFINDET?
Die Frau ist bezüglich ihres Umgangs mit Mode „jünger“ geworden, das sieht man auf der Straße und in den Großstädten. Das ist nicht nur ein Trend, sondern das ist eine absolut klare Linie geworden. Daraufhin haben wir auch unsere Einkäufe entsprechend umgestellt. Es entstehen ja ganz neue Kundinnen-Typen, die nach vielen Jahren plötzlich ihren Style ändern. Dieses “Jünger-Werden“ betrifft die ganze Gesellschaft und uns selber. Bei unseren Kundinnen passen wir aber immer auf, dass es nicht übertrieben wird. Es muss immer noch passen und, wenn es ein No-Go ist, dann muss man das auch ganz klar kommunizieren. Und unsere Stammkunden haben in der Regel auch ihre Stammverkäuferin bei uns im Haus, dieses Verhältnis wird sehr gepflegt. Unsere Geschäftsführerin Marlene Hübers, spricht z.B. Empfehlungen für unsere Kunden aus und kauft konkret und gezielt für sie Ware ein.

MIT ANNETTE GÖRTZ UND BARBARA LOHMANN HABEN SIE LABELS, DIE INSIDERINNEN KENNEN UND DIE ES GESCHAFFT HABEN, SICH NEBEN DEN MEGA-LABELS AUS ITALIEN UND FRANKREICH AUFZUBAUEN UND TATSÄCHLICH AUCH DURCHZUSETZEN. WIE IST DAS ZU ERKLÄREN?
Bei Annette Görtz ist es ganz einfach so, dass wir sie in Düsseldorf kennengelernt haben, als sie noch keiner kannte. Wir haben dann 20, 30 Teile bei ihr gekauft und die waren ruck zuck weg. Das war eine eigene Kreation, ganz anders gemacht, als die namhaften Arbeiten aus Italien und Frankreich. Von der ersten erfolgreichen Stunde an sind wir immer mit dabei gewesen und heute gehören wir mit zu den größten Annette-Görtz-Kunden in Deutschland. Annette Görtz passt auch nicht zu jedem Typ, aber wenn es passt, kleidet sie die Frau natürlich fantastisch. Barbara Lohmann war immer eine Strickdesignerin und hat die Couture in den letzten Jahren mehr am Rande mit hinzugenommen. Für uns ist sie die Cashmere-Fürstin, die wir hier haben und wir sind mit Abstand ihr bester Partner. Im nahen und weiteren Umkreis gibt es ihr Label nicht woanders zu kaufen. Mit eigenen Läden ist sie auf Sylt und in München vertreten. Sie setzt auch sehr stark auf eigene Läden, in Berlin, München und auf Sylt. Barbara Lohmann benutzt wirklich feinstes italienisches und französisches Garn und legt viel Wert darauf, europäische Materialien zu verarbeiten. Und ganz wichtig: es wird hier produziert.

HERR ACKMANN, WELCHE PERSÖNLICHEN ZUKUNFTSPLÄNE HABEN SIE?
Mein persönlicher Plan ist es, noch einige Jahre meine leitende Funktion bei Hetkamp auszuüben. Vielleicht wäre es ganz schön, einen Part zu finden, an dem ich einige Dinge abgeben kann. Das Liebste ist es mir nach wie vor, den Kunden selber zu bedienen. Und wenn alles gut geht, werden wir 2016 eine neue 125 Quadratmeter große Musterwohnung präsentieren. Hierfür muss das gesamte Team zusammenarbeiten, weil wir von A bis Z alles selber machen oder zumindest begleiten. Das ist die Kunst des Einrichtens! Hetkamp Einrichten heißt: Arbeiten nach einem Konzept – so richten wir ein. Da fehlt es an nichts, es wird komplett eingerichtet und das Ganze muss einen roten Faden haben, der tatsächlich erkennbar ist und, der aber vor allem auch eine persönliche Note enthält. Ich muss eine Wohnung also so einrichten, dass der Besitzer dieser Wohnung abends gerne nach Hause kommt und, dass er sich dort wohl fühlt. Dann habe ich es richtig gemacht, aber nur dann! Man darf nicht nur eine momentane Stimmung festhalten, sondern ich muss mich immer intensiv in den Kunden hineindenken.

HERR ACKMANN, ICH DANKE IHNEN SEHR FÜR DAS GESPRÄCH.